Die virtuelle Ausstellung „Kreuz und quer: Lebensgeschichten antiker Objekte“ entstand im Rahmen einer Lehrveranstaltung im ‚virtuellen‘ Sommersemester 2020 am Institut für Klassische Archäologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Unter der Leitung von Prof. Dr. Corinna Reinhardt erarbeiteten die Studierenden Inhalte sowie ein neuartiges Konzept der Präsentation archäologischer Artefakte im Internet. Das Ergebnis ist nicht nur dem Engagement der Studierenden des Studiengangs Archäologische Wissenschaften zu verdanken, sondern auch dem Einsatz von Dr. Jürgen Süß (MediaCultura), der die Ideen und Konzepte im gemeinsamen Austausch mit gestaltete und als virtuelle 3D-Panoramen umsetzte. Besonderer Dank gilt ebenso Dr. Carsten Mischka, der verschiedene digitale Bestandteile der Ausstellung erstellte.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer:
Die Aphrodite von Knidos: Markus Trodler
Ein ägyptischer Obelisk: Cornelia Lechner
Römische Transportamphoren: Lena Bandasch, Philipp Drexler
Ein griechisches Schwert: Lea-Tabitha Bührer
Eine attische Augenschale: Florian Held
Eine Dekadrachme aus Syrakus: Timo Kindl
Eine panathenäische Preisamphora: Dominic Schuh
Zwei mykenische Bügelkannen: Verena Spangler, Dr. Carsten Mischka
Eine ägyptische Granitsäule: Kathrin Horsting
Die Ausstellung stellt antike Objekte in neun Ausstellungsbereichen vor, die im Laufe der Zeit verschiedene Wege nahmen und immer neu und anders verwendet wurden. Dabei veränderte sich nicht nur ihr Umfeld, sondern auch die Bedeutung, die die Menschen ihnen zumaßen. Archäologinnen und Archäologen versuchen daher, ausgehend von der ‚letzten Station‘ die Geschichte des Objekts zu rekonstruieren.
Für eine solche Herangehensweise hat der Anthropologe Igor Kopytoff in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts den Begriff Objektbiographien etabliert. Darunter versteht man den Fokus auf die verschiedenen Wege, die ein Objekt seit seiner Herstellung bis zur endgültigen Zerstörung im Laufe der Zeit nahm. Dabei sind vor allem die veränderlichen Bedeutungen, die Menschen ihm in jeweils neuen Situationen zumaßen, von besonderem Interesse, aber auch die Frage, inwiefern an Objekten Erinnerungen an vergangene Zeiten hängen. Bekanntes Beispiel ist hierfür das Familienerbstück – oft mit wenig materiellem, aber großem ideellen Wert, das über Generationen weitergegeben wird. Oder aber die Umfunktionalisierung eines Objekts, wie die alte rostige Badewanne, die nun als modernes Gartenaccessoire und Pflanztrog dient und damit wieder einen Wert erhalten hat.
Der Begriff ist wegen der Metapher der Biographie nicht unumstritten. So fragt man sich in Bezug auf ein Objekt, wann dessen ‚Leben‘ beginnt und wann es endet. In dieser Ausstellung wird nicht nur das vorgestellt, was mit einem Objekt im Laufe der Zeit passierte und wie unterschiedlich und neu man es verwendete. Es beleuchtet auch die Situationen, in denen das jeweilige Objekt zwar nicht mehr existierte, aber etwa durch Kopien noch längere Zeit greifbar war und man sich an es erinnerte.
Welche Wege Objekte im Laufe der Zeit zurücklegten und wie man mit ihnen umging, erzählt uns nicht nur etwas über historische Ereignisse, sondern auch etwas über ganz individuelle Schicksale. Ein so gesetzter Fokus zeigt zudem, wie unterschiedlich Menschen Werte und Bedeutungen mit Objekten verbanden. Zum anderen gibt er aber auch ganz pragmatische Einblicke in antike Wiederverwendungsmechanismen, Recycling oder Umarbeitungen.
Zur Literatur siehe HIER.
Ausgewählt wurden zehn Beispiele in neun Bereichen, deren Wege und Geschichte(n) unterschiedlicher nicht sein könnten, auch wenn diese nur ausschnittsweise rekonstruiert werden können. Sie beleuchten das Thema von unterschiedlichen Seiten. Mit dabei sind sowohl Objekte aus der Erlanger Antikensammlung als auch Exponate anderer Museen und antike Monumente.
So fand man etwa eine Amphora aus Athen in einem Grab eines Mannes im unteritalischen Tarent. Dieses Gefäß beinhaltete einst das Öl, das Athleten als Siegespreis der panathenäischen Wettkämpfe in Athen erhielten. Der Verstorbene war sehr wahrscheinlich nicht ein siegreicher Athlet, sondern hatte dieses Gefäß und eventuell seinen Inhalt käuflich erworben. Was bedeutete jedoch ihm und seinen Hinterbliebenen das Gefäß, da es letztlich sein Grab schmücken durfte?
Eine ägyptische Rosengranitsäule dagegen wurde nach ihrem Abbau im Steinbruch nach Rom transferiert und dort als Säulenmonument für einen Kaiser verwendet. Im 18. Jahrhundert versuchte man die Säule zu bergen und neu zu errichten – auch zum Ruhm der Päpste, die diese Arbeiten beauftragten. Zahlreiche Probleme während dieses Prozesses ließen schließlich das Projekt scheitern. Die Säule nahm dabei großen Schaden, so dass man sie schließlich nur noch als Materialressource des beliebten Steins nutzte. Ihre Reste finden sich daher heute weitgehend unerkennbar als Flickungen in anderen antiken Artefakten wieder. Wer könnte sich anhand dieser Reste überhaupt noch an die bewegte Geschichte der Säule erinnern?
Präsentiert werden diese Objektbiographien in virtuell begehbaren Räumen. Diese bilden einerseits thematische Einheiten zu verschiedenen Stationen des Weges – ähnlich den Räumen einer Ausstellung im realen Museum. Andererseits ermöglichen virtuelle Räume, in rekonstruierte Situationen zu schlüpfen und die Objekte in ihren Kontexten zu verstehen. Dabei geht es nicht um einen einheitlichen ununterbrochenen ‚Lebenslauf‘, der heute auch nicht mehr rekonstruierbar wäre, sondern vielmehr um einen Einblick in wichtige Momente der Artefakt-Geschichte. Diese veranschaulichen in der Ausstellung Modelle, Bilder, Filme und Texte. Vieles der tatsächlichen Geschichte im Laufe der Zeit wird unbekannt bleiben. Die Visualisierungen der Modelle sind als Veranschaulichung und Annäherung zu verstehen, nicht aber als Abbild antiker Realität, für die uns leider zahlreiche Informationen fehlen. So verzichteten wir beispielsweise darauf, jedes Gebäude auf dem Marsfeld in Rom darzustellen und beschränkten uns auf die wichtigsten Bezugspunkte.
Ein zentrales Element der Objektbiographien fehlt in der Ausstellung: der Mensch. In diese Rolle sollen Sie schlüpfen!
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Entdecken!
Es ist eine Ausstellung zum aktiven Entdecken. Schauen Sie sich daher in Ruhe in jedem Ausstellungsbereich und in jedem Raum um. Die neun Ausstellungsbereiche bauen nicht aufeinander auf, sondern können unabhängig voneinander besucht werden. Sie beleuchten das Ausstellungsthema aus unterschiedlichen Perspektiven.
Beim Starten in einem Raum gibt es eine automatische Bewegung, die sie jederzeit anhalten können (Pausensymbol oben rechts), um in Ruhe einen Infopunkt zu lesen oder etwas näher zu betrachten. Sie können sich auch selbstständig im Raum drehen, heranzoomen und in manchen Räumen sogar ihren Standpunkt wechseln. Selbstverständlich können Sie jederzeit wieder zurück in den Raum zuvor.
Wenn Sie den jeweils ersten Raum der neun Ausstellungsbereiche betreten, liegt gleich das Objekt im Fokus, das im Zentrum des Ausstellungsbereiches steht. Die Infopunkte sind durchnummeriert, um einen Anhaltspunkt der inhaltlichen Reihenfolge im Raum zu geben. Es bietet sich an, zum Einstieg den jeweiligen Infopunkt 1 zu lesen, der sich in fast allen Fällen direkt am Objekt befindet. Es ist jedoch zum Verständnis nicht zwingend notwendig, alle Infopunkte in der Reihenfolge zu lesen.
Ohne die Hilfe und Unterstützung zahlreicher Kolleginnen und Kollegen wäre die Umsetzung der Ausstellung nicht möglich gewesen. Wir danken besonders:
Udo Andraschke, Hansgeorg Bankel, Sanchita Balachandran, Kristine Bischof, Markolf Brumlich, Laetitia Cavassa, Natasha Dehn, Sylvie Dumont, Helmut Emmelmann, Georg Gerleigner, Jochen Griesbach, Andreas Grüner, Cyprien Habimana, Alexander Heinemann, Katarina Horst, John McK. Camp II, Martin Maischberger, Ελένη Σπ. Μπάνου, Doris Mischka, Frederik Engel Møller, Tobias Mühlenbruch, Duncan Murdock, Florian Neukirchen, J. Theodore Peña, Georg Pöhlein, Ronald T. Ridley, Rolf B. Röper, Yvonne Schmuhl, David H. und Noelle Soren, Lea Stirling, Daniela Thoma, Kathrin B. Zimmer, Jörg Zimmermann.
Zum Nachlesen finden Sie die gesammelten Texte der Ausstellung an dieser Stelle zum Herunterladen. Klicken / tippen Sie einfach auf Kreuz und Quer - Lebensgeschichten antiker Objekte.pdf.